Jazz_News_01.05.20
Joachim Staudt – Die Magie des Moments

Joachim Staudt – Die Magie des Moments

Es gibt Alben, die verfügen über eine ganz eigene, originäre Aura. „Quest“, das dritte Werk von Joachim Staudt, ist so eine Platte. Die Klänge darauf schmeicheln sich ein wie manche Alben von Jan Garbarek in ihrer kühlen und dennoch harmonischen Strenge oder Nils Wülker ohne dessen Hang zum Pop.
„Mit jedem der zehn neuen Kompositionen wollte ich die Magie des Moments einfangen“, erklärt Staudt, „es geht um das Kreieren von Atmosphäre jenseits irgendwelcher Stilrichtungen. Meine große Leidenschaft als Saxophonist gehört dem Jazz. Aber auch Ambient oder Weltmusik liebe ich außerordentlich. Und dann ist da noch mein Selbst. Der Mann mit den vielen musikalischen Ideen im Kopf. Ideen, die es umzusetzen gilt.“
Der 42-jährige Tübinger setzt im nächsten Atemzug nach: „An die Musik unter eigenem Namen habe ich keinerlei kommerzielle Erwartungen“, erklärt Staudt. „Von der hoffe ich nur, dass sie möglichst viele Menschen erreicht, die sie gerne hören, weil darin eine Unmenge Herzblut steckt. Meinen Lebensunterhalt verdiene ich mir als Komponist für TV- und Film-Produktionen, ab und an gebe ich Sax-Unterricht. Genau diese Umstände - und die damit verbundene Freiheit - haben dazu geführt, dass ich auf „Quest“ dermaßen viel Spannungsreichtum und Weite im Klang erzeugen konnte.“
„Quest“ hat der Schwabe zusammen mit Anselm Krisch am Piano, Florian Dohrmann am Bass und Lars Binder am Schlagzeug eingespielt. „Im Prinzip“ erklärt Staudt, „sind wir eine richtige Band. Aber eine Band, die meine musikalischen Vorstellungen umsetzt. Natürlich dürfen meine Jungs ganz viel ins akustische Geschehen einbringen. Sie fühlen sich nicht von mir unterdrückt. Doch jede meiner Kompositionen besitzt erstmal eine Struktur.“
Dabei entstammt Joachim Staudt prinzipiell der Improvisations-Szene. Sein Musik-Studium führte ihn zwischen 1998 - 2005 in die Jazz-Szene von Amsterdam. „Ich tauchte tief in diesen herrlichen, verwunschenen Mikrokosmos ein“, erinnert er sich und schwärmt nach wie vor von jener Phase seines Lebens. „In Amsterdam kannst du dich jeden Abend in einem Dutzend Konzerte verlieren, keines davon ist langweilig. Für jeden Kreativen ist dieser Zustand Adrenalin pur!“
Trotzdem verabschiedete sich der nach eigener Aussage „ewig Neugierige“ von diesem Energie-Mekka, „weil man immer dann etwas beenden sollte, wenn es am Schönsten ist“, meint er. Zurück in heimischen Gefilden wurde Staudt als Sideman von u. a. Eddy Martinez, Roy Ellis oder Tom Gäbel engagiert, was ihn zu Auftritten etwa beim „Montreux“- oder „Northsea“-Jazzfestival führte. „Eine großartige Zeit“, lacht er vergnügt bis heute.
Die Voraussetzungen, als Voll-Profi bei diesen legendären Veranstaltungen mitzuwirken, brachte Staudt auf Grund seiner musikalischen Kenntnisse problemlos ein. „Ich habe mich ab dem 10. Lebensjahr mit dem Saxophon angefreundet, das war Liebe auf den ersten Blick“, feixt er. „Zuvor habe ich mich an Blockflöte und Glockenspiel versucht, wie das Kinder aus musisch orientierten Familien wie der meinen in der Regel tun. Doch das Sax, es war auf der Stelle meine große Leidenschaft!
Ich hatte interessanterweise niemals Probleme mit der Atemtechnik. Was bestimmt daran lag, dass ich unbedingt im Orchester meiner Schule mitwirken wollte. Deshalb durfte ich einfach keine Probleme mit meinem Instrument haben“, lacht er. „Und die hatte ich auch nicht.“
Nachdem Staudt die konventionelle Jazz-Schule konsequent durchlaufen hatte, kümmert er sich inzwischen darum, diesem Genre seinen eigenen Stempel aufzudrücken. „Ich will Geheimnisse kreieren“, definiert der Tübinger seinen Hauptanspruch. „Mein Sound soll ungewöhnlich sein, dabei niemals unhörbar oder allzu vertrackt.
Jazz bedeutet für mich unendliche Freiheit. Mit Freunden zusammen zu kommen, um bei jedem kreativen Treffen etwas Neues, Aufregendes entstehen zu lassen. Das zeichnet den Jazz aus, dieses Originäre. Dass alles ständig in Bewegung ist. Man probiert, alleine oder in Gemeinschaft, stets Anderes aus. Und weiß dabei, dass man nie etwas Perfektes kreiert. Weil das Dasein eben nicht perfekt ist. Großartig, oder nicht?“ Autor: Michael Fuchs-Gamböck
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