Jazz_News_01.05.20
Klaus Doldinger - Auf die jazzige Mutterschaft

Klaus Doldinger - Auf die jazzige Mutterschaft

Klaus Doldinger ist ein Begriff, nicht nur in der Jazz- oder Rock-Welt, sondern ganz allgemein als einer der famosesten Saxophonisten und Soundtrack-Komponisten auf diesem Planeten. Auch seine Formation Passport, 1971 ins Leben gerufen, ist global ein gewichtiges Pfund, Ethno-Sound de luxe. Aber Motherhood? Tatsächlich war das lediglich eine musikalische Zwischenstation in der aufregenden Karriere des kreativ Umtriebigen, 1936 in Berlin geboren, seit Jahrzehnten in Oberbayern ansässig. Motherhood existierten zwischen 1968 bis 1970, brachten gerade mal zwei Alben in den Handel. Für Doldinger war es der Übergang vom pur Jazz-orientierten, nach ihm benannten Quartett hin zu den wesentlich rockigeren Tönen von Passport. Doch jetzt hat sich der bescheidene Sympath mit dem markanten Seitenscheitel auf seine „Hippie-Jahre“ zurückbesonnen, lässt auf dem neuen Passport-Werk MOTHERHOOD die Kurzzeit-Crew akustisch wiederaufleben. Zu hören sind zwei digital remasterte Originale von 1969 und 1970 (beim zweiten Lied ist Udo Lindenberg als Sänger aktiv). Dazu acht Stücke, bei denen dem „Sax-Papst“ Gäste wie Max Mutzke, China Moses und Joo Kraus zur Hand gingen.

Herr Doldinger, was macht Motherhood so spannend, dass Sie dieses Kurzzeitprojekt wiederbelebt haben?
Das war eine spontane Idee! Meine Plattenfirma meinte, dieses Zeug gibt es bislang nur auf Vinyl. Und der Stoff klingt aktuell, gerade weil er so stark mit der Hippie-Ära zu tun hat, also lebendig und frisch daher kommt. Deshalb habe ich mich darum gekümmert und die Sache re-vitalisiert.
Neben Jazz findet man auf den beiden Motherhood-Alben auch Kraut Rock-Einflüsse. Waren bzw. sind Sie ein alter Hippie?
Nee, überhaupt nicht! Als es mit dem Hippietum richtig losging, war ich schon über 30. Also schlicht zu alt für diese junge Bewegung. Begonnen hatte ich in den 50ern mit Dixieland. Danach mein eigenes Jazz-Quartett ins Leben gerufen. Ich drehte mich, im positiven Sinn, um mich selbst, hatte stets eine eigene Vision, wohin meine musikalische Reise geht.
Motherhood soll die musikalische Blaupause für die späteren Passport gewesen sein. Sehen Sie das auch so?
Unbedingt! Weil ich damit den Sprung vom puren Jazz zum Jazz-Rock geschafft habe.
Ist diese Mothehood-Reinkarnation ein Impuls für die musikalische Klaus Doldinger-Zukunft?
Sehe ich definitiv so. Nach wie vor bin ich neugierig, breche täglich auf zu neuen Ufern. Das ist herrlich. Es hält mich jung.
Wie stießen die musikalischen Gäste - Sänger Max Mutzke, Trompeter Joo Kraus und die amerikanische Jazz-Vokalistin China Moses - zu Ihrem aktuellen Projekt?
Ich kenne die drei seit einigen Jahren, habe schon die eine oder andere Sache mit ihnen gemacht. Das sind mittlerweile Freunde von mir, möchte ich behaupten. Wir haben miteinander telefoniert. Sie kamen eines Tages angereist, wir haben die Lieder in meinem Haus-eigenen Studio aufgenommen, ganz altmodisch. Ich halte nichts davon, dass man über weite Entfernungen Dateien an Computern hin und her schiebt, um daran zu arbeiten. Dabei geht der Groove verloren.
Was liegt Ihnen so sehr an dieser kurzen Motherhood-Ära?
Sie ist für mich Sinnbild einer aufregenden Zeit, in der sich alteingesessener Jazz auf jungen Rock zubewegte. Und umgekehrt. Heraus gekommen ist dabei eine Art pulsierende Weltmusik. Die inspiriert mich bis heute.
Sie haben mal erzählt, dass die meisten der Motherhood-Stücke unter Ihrem Unterhaltungsmusik-Pseudonym Paul Nero erschienen sind. Warum dieser Kniff?
Tatsächlich hatte in jener Phase meines Schaffens Lust darauf, mich ein bisschen weg vom Jazz zu entfernen, hin etwa zu Soul und Rock. Mir schwebte auch vor, etwas Tanzbares zu kreieren. Wobei ich nach wie vor nicht denke, dass die Motherhood-Kompositionen reines Entertainment sind. Unabhängig davon wollte ich zunächst nicht, dass man den klassischen Jazzer Klaus Doldinger unmittelbar mit diesem neuen Sound in Verbindung bringt. Autor: Michael Fuchs-Gamböck
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