Pop_News_10.10.25
Suzanne Vega – “Mit 66 Jahren…”

Suzanne Vega – “Mit 66 Jahren…”

Mehr als zehn Jahre nach ihrem letzten Studioalbum mit dem sperrigen Titel „Tales From The Realm Of The Queen Of Pentacles“ hat die eingefleischte New Yorkerin Suzanne Vega eine neue Produktion am Start, die frisch und unverbraucht zwischen Folk und Pop wildert. Die am 11. Juli 66 Jahre alt Gewordene besitzt nach wie vor ein unbedingtes Gespür, was die eingängige Melodie betrifft. Und auch die Texte spielen wie gehabt eine entscheidende Rolle. Dieses Mal ist unter anderem „Kampf“ aus den unterschiedlichsten Sichtweisen das Leitthema der Verse, es geht um Täter und Opfer, Sieger und Besiegte oder einfach nur das Überleben in einem aggressiven Zeitalter. Die Single „Chambermaid“ ist übrigens eine Adaption von Bob Dylans „I Want You“, verfasst aus der Perspektive einer Frau, die sich stark geben möchte, selbst wenn ihr das schwer fällt. „Flying With Angels“ ist eine klassische Vega-Platte, die schon heute Unsterblichkeit repräsentiert. Gerade durch die gerne schlichte Schnörkellosigkeit.
Neben den Attacken etwa gegen die Trump-Regierung gehen zumindest einige der aktuellen Kompositionen auf traurige persönliche Erfahrungen zurück. Ihr zweiter Ehemann, der Anwalt Paul Mills, mit dem sie seit 2006 verheiratet ist, infizierte sich an Weihnachten 2022 mit „Covid“, zwei Wochen später ereilten ihn zwei Schlaganfälle. In der Folge musste er das Sprechen neu erlernen, was ihm extrem schwer fiel.
„Mein neues sehr intensives Lied „Speaker’s Corner“ hat sich dieses wiederkehrende Bild von jemandem, der versucht zu sprechen und tolle Gedichte geschrieben hat, ehe er sich kaum noch artikulieren konnte, vor Augen geführt. Es geht um Erfahrungen, die ich mit meinem Mann in der jüngeren Zeit gehabt habe. Gleichzeitig auch um Falschinformationen, denen wir alle immer häufiger ausgesetzt sind.“
Neben solch realen Geschichten kommt Märchenhaftes in den Texten zum Vorschein, etwa in „Love Thief“, das von einer unheimlichen Person handelt, die anderen Menschen die Liebe stiehlt. „Als Kind wuchs ich mit den Märchen der Gebrüder Grimm auf“, erinnert sich Vega. „Diese Märchenwelt war für mich immer sinnstiftend. Wenn ich jetzt, als Erwachsene, etwas auszudrücken versuche, das mir schwerfällt, durchstöbere ich oft meine Psyche. Dann frage ich mich: „Gibt es eine Möglichkeit, das Thema mit übernatürlichen Bildern zu beschreiben, um mich zu befreien?“ Meist komme ich zu keinem befriedigenden Ergebnis.“
Suzanne Vega steht dazu, dass sie ein Faible für das Verstörende in ihrer Arbeit hat. „Das ist richtig, ja“, bekennt die eher Introvertierte. „In „Witch“ etwa ist die besungene Hexe eine Metapher, die für vieles stehen kenn. Für eine Bedrohung, aber auch für eine Krankheit, die den Mann der Erzählerin zweimal befällt. Ziemlich gruselig, nicht wahr? Bei mir liegen Grauen und Wahrheit sehr eng beieinander.“ Michael Fuchs - Gamböck

Tourdaten:
15.10. Offenbach am Main, Capitol; 16.10. Köln, Theater am Tanzbrunnen.
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