Pop_News_28.11.25
The Weather Station – Stille Abenteuerreisen

The Weather Station – Stille Abenteuerreisen

Der Münchner Club „STROM“ ist mit knapp 200 Besuchern ordentlich besucht an diesem milden Spätherbst-Abend am 11. November 2025. Kein Wunder, denn die kanadische Band The Weather Station, die an diesem Abend auf der Bühne stehen wird, sind alte Bekannte in der bayerischen Landeshauptstadt. Doch ehe Frontfrau Tamara Lindeman und ihre vier Mitstreiter sich dem Rampenlicht stellen, sitzt für gut 30 Minuten ein Zauselbart mit Gitarre auf den Brettern, welche die Welt bedeuten sollen: Der irisch-französische Singer/Songwriter Kevin Fowley.
Der entschleunigte Zeitgenosse kündigt in gewöhnungsbedürftigem Deutsch an, dass er gerade mal vier Stücke zum Besten geben wird. Das erste auf Englisch („es geht dabei um „Pisses“, irgendwie“, grummelt er), drei auf Französisch. Alles kommt kauzig-verhalten daher, besitzt aber seinen ganz eigenen Flair. Mit seinem linkischen Charme und vier Songs um die je fünf Minuten Spieldauer hat Chansonnier Fowley das Publikum durch die Bank erobert. Er tritt unter tobendem Applaus ohne Zugabe ab.
Nach einer knappen Viertelstunde Soundcheck treten Lindeman sowie ein Bassist, ein Pianist, ein Schlagzeuger plus die Multiinstumentalistin Karen Ng ins Geschehen. Das „STROM“ ist die richtige Lokalität für The Weather Station-Sound - eine Hippie-Kneipe, in der nach 1975 die Zeit stehengeblieben zu sein scheint, an den Wänden Pin Up-Posters von charmanten Nackedeis oder Fotos von coolen Bikes.
Dazu wabert Nebel auf der Bühne zu den Klängen von „Neon Signs“, einem Lied der noch immer aktuellen, medial hochgelobten siebten Platte „Humanhood“ des 2006 gegründeten Quintetts. Im Anschluss der Track „Mirror“, auch er auf „Humanhood“ zu finden. Nicht nur optisch fühlt man sich bei Tamara Lindeman erinnert an eine jüngere Ausgabe von Folkrock-Koryphäe Joni Mitchell, auch musikalisch ist man dort zu Hause. Mal behält das Kühl-Zickige die Oberhand, mal das Warm-Emotionale.
Schon während des ersten Stücks beweist die ausgebildete Musik-Lehrerin Karen Ng, dass sie der heimliche Fokus dieses Projekts ist - mit zuckersüßen Querflöten-Klängen. Beim nächsten Song wiederum wartet sie mit spröden, nach Portishead klingenden Electro-Tönen auf, später gibt die Kanadierin mit den Hongkong-Wurzeln dank ihres mutigen Saxophon-Einsatzes eine Art Jazz-Kommando, das schon mal an Charlie Parker erinnert. Oder bei einer Komposition auch an das Geraschel einer zerknüllten Papiertüte.
Im Publikum lauschen nahezu andächtig vollbärtige Nerds in ihren späten 20ern und frühen 30ern den verhuschten, treibend-federleichten Tönen, ebenfalls die dazu passenden Girlies, gerne in kesse Kleidchen und schnieke Kostüme gewandet. Doch auch die Boomer-Generation hat Kuriere entsandt. Die 50 bis schon mal 70-jährigen Menschen, hauptsächlich Männer, wirken selig-entrückt auf ihren stillen Abenteuer-Reisen an jenem Abend.
Ehe „Window“ anklingt, kündigt Mastermind Tamara an, dass „wir jetzt eine Reihe ruhigerer Lieder am Stück vorbringen werden“. Wobei der geneigte Zuhörer sich versonnen die Haare krault und fragt, wie viel leiser die Gruppe noch spielen will. Die Choreographie wird nun endgültig zur Nebelwand, während Lieder quer durch die bald zwei Dekaden dauernde Karriere angestimmt werden.
Ehe nach 70 Minuten Spielzeit das letzte Stück angekündigt wird, stellt Lindeman ihre Spießgesellen vor. Mächtigen Applaus fahren alle ein. Doch richtig frenetisch wird es, als der Name Karen Ng fällt.
Zwei Zugaben sind auch im Programm: „Lonely“ vom aktuellen Werk. Und schließlich der heiß ersehnte, immer wieder geforderte einzige richtige Single-Hit „Thirty“ aus dem Jahr 2017. Danach Licht an, Club-Türen auf. Es weht mit einem Mal eisiger Wind durch die gerade noch utopische Traumlandschaft. Michael Fuchs-Gamböck

Bild: © Peter Szalata
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