Pop_News_08.09.23
Yusuf/Cat Stevens – Gläubiger Fiedensbringer

Yusuf/Cat Stevens – Gläubiger Fiedensbringer

Stolze zwölf Jahre mit Unterbrechungen hat der der früher buddhistische, heute muslimische Friedensbringer Cat Stevens alias Yusuf Islam an seinem 17. Album KING OF A LAND gewerkelt, das in seinem aktuellen Hauptwohnsitz Dubai, zusätzlich in Berlin und London produziert wurde. Der Mix entstand in George Harrisons Anwesen „Friar Park“ - der Vollbärtige ist zudem beim Label von Beatles-Sohn Dhani, „Dark Horse“, unter Vertrag.
Die Musik, die Yusuf mit langjährigen Gefährten wie Produzent Paul Samwell-Smith und Bassist Bruce Lynch realisierte, ist stilistisch breit aufgestellt: Auf KING OF A LAND sind Folk, Rock, Country und Gospel zu hören. Manchmal spielt gar ein wenn auch dezent klingendes Orchester die entscheidende Rolle des Geschehens.
Aber wie immer in dieser Karriere des Artisten, der am 21. Juli seinen 75. Geburtstag feiern durfte, überzeugen vor allem die kleinen, mit simpler Wärme intonierten Songs, von denen es hier mehrere gibt, etwa das innige „He Is True“ oder das folkloristische „Son Of Mary“. In diesen Augenblicken ist die sanfte Magie der besten Cat Stevens-Momente aus den 70ern spürbar, also der Hochzeit des Softie-Maestros.
Als aus Cat Yusuf wurde - der als Steven Demetre Georgiou geborene Halb-Zypriot/Halb-Schwede war im Dezember 1977 zum Islam konvertiert -, schwor er der „dekadenten“ (O-Ton) westlichen Musik zornig ab, wollte nie mehr ein Album in den Handel bringen, höchstens eines mit strenggläubigen Liedern. Doch mit Beginn des 21. Jahrhunderts, ab 2006, besann sich der überzeugte Moslem der Fähigkeiten von einst. Unter dem neuen Namen Yusuf werden seit jener Zeit weltlich orientierte Alben veröffentlicht.
Der im Londoner Stadtteil Soho Aufgewachsene bereut laut dem englischen „New Musical Express“ im Gespräch „absolut nichts, was ich getan habe“, sagt er. „Stattdessen sehe ich unser Dasein als dauerhafte Entwicklungsgeschichte. Und wer sich eindringlich mit seiner Persönlichkeit beschäftigt, der befindet sich in der permanenten Phase des Lernens. Meine neue Platte ist ein Mosaik. Es beschreibt und definiert ganz klar, wo ich war - und wer ich heute bin.“
Der „zweite Musiker-Frühling“ des sanften Troubadours begann 2006 unter dem Namen Yusuf mit dem höchst erfolgreichen Album AN OTHER CUP. Als er 2017 das Album THE LAUGHING APPLE einspielte, ganz in seiner ureigenen Tradition als Folk-Grübler, war der „innere Cat Stevens“ wieder hergestellt.
Der sieht durchaus Unterschiede zwischen der Karriere von einst und heute. „Zunächst mal möchte ich Yusuf genannt werden, das ist schließlich mein ziviler Name“, stellt er bestimmt fest. „Doch ich verstehe die Fans gerade von früher, für die ich bis ans Ende meiner Tage Cat Stevens sein werde, weil sie mich unter diesem Begriff kennen gelernt haben. Ich habe meinen Frieden mit diesem Umstand geschlossen. Ich weiß inzwischen, dass man viele Rollen eingehen kann - Vater, Bruder, Sohn, Freund, Ehemann - und habe mich damit arrangiert. Wichtig ist doch nur, dass ich in all diesen Identitäten der Menschheit Frieden stifte.“
Nachdem sämtliche medialen Versuche, ihn als radikalen moslemische Extremisten zu verunglimpfen, gescheitert waren, läuft die Karriere des fünffachen Vaters und 13-fachen Opas erneut auf Hochtouren. Er geht regelmäßig auf Tour, schreibt seit längerem an seiner bewegten Autobiographie. Und ganz wider die Erwartungen seiner Feinde, Yusuf sei beinharter Islamist, pflegt er politisch durchaus weltoffene, liberale Ansichten: „Ich verfolge genau, was in dieser Welt passiert“, beharrt er. „Und wenn mich etwas stört, sage ich es laut und deutlich. Auch schon mal in den Texten meiner Songs.“
Die Geschichte hinter KING OF A LAND ist herrlich naiv. Ein kleiner König sitzt in seinem Kinderzimmer und spielt Gott. Sein Reich ist eine Miniatur-Landschaft mit einer goldenen Eisenbahn, einer Kirche und einer Moschee. Über ein eigenes Volk verfügt der sanfte Herrscher auch. Winzige Menschen demonstrieren für Frieden und Liebe, womit sie dem König aus dem Herzen sprechen. Selig singt er vor sich hin, dass alles gut werden soll. Ganz wie Gott es vorgesehen hat. Und mit einer Message, die er bereits vor 50 Jahren vertrat, als er Meisterwerke wie TEA FOR THE TILLERMAN oder TEASER AND THE FIRECAT schuf. Nur war in jener Ära bei Cat Stevens keine Moschee in Sichtweite.
Überhaupt war eine Zeitlang nicht alles Hippie-Freude und Eierkuchen beim konvertierten Liedermacher. So versteigerte er nach Veröffentlichung seiner letzten Scheibe BACK TO EARTH die zum Teil wertvollen Gitarren, gründete eine Koranschule, hetzte gegen Homosexuelle und gegen den mit einer Fatwa belegten „Satanische Verse“-Autor Salman Rushdie. Der Verwünschte nannte Cat Stevens im Gegenzug den „sauren Apfel des Islam.“
Die Terroranschläge von 2001 erschütterten Yusuf allerdings dermaßen, dass er allmählich seinen persönlichen Cat Stevens wiederentdeckte. die Produktion THE LAUGHING APPLE war, der Titel verriet es, eine Entschuldigung an Salman Rushdie. „Jetzt ist die Zeit wieder reif für meine alten Lieder“, freut sich der Widersprüchliche in DIE WELT AM SONNTAG. „Und nun ist es auch Zeit für neue Stücke, in denen sich mühelos die alten entdecken lassen.“
Was die KING OF A LAND-Songs von den wohlvertrauten unterscheidet, sind nicht fehlende Harmonien, davon gibt es genug. Doch statt der alles umfassenden Liebe von einst heilt heute ein höheres Du die Plagen der Menschheit. Wobei die Gotteshäuser nicht festgelegt sind, sie können jeglichen Glaubens sein. „Hauptsache in ihnen werden unmissverständliche Botschaften der Liebe verkündet“, wünscht sich Yusuf. „Schließlich weiß ich, wie es ist, missverstanden zu werden“, klagt der Sänger. „So ein Zustand interessiert mich nicht mehr.“ Michael Fuchs-Gamböck
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